Was haben die Porträtbilder Martin Luthers und seiner Frau Katharina von Bora und frühneuzeitliche Bibelillustrationen mit aktuellen Geschlechterkonstruktionen zu tun?
In der Frühen Neuzeit spielten im lutherischen und im katholischen Kontext bebilderte religiöse Schriften wie Flugblätter, Bilderbibeln oder Porträt- und Heiligenbilder bei der Vermittlung theologischer Inhalte in die Gesellschaft eine zentrale Rolle. Über diese Medien verbreiteten sich religiös normierte Geschlechterrollen, die bis heute nicht nur in den christlichen Konfessionen wirksam sind.
Kennzeichnend für die Frühe Neuzeit ist der Medienwandel, der eine neue Medienvielfalt und neue Verbreitungsformen mit sich brachte. Gerade die kombinierte Medienform, in der Text und Bild in Ergänzung zueinanderstehen, wurde bei der Konstruktion von Männlichkeit(en) und Weiblichkeit(en) strategisch eingesetzt, um konfessionell reglementierte Geschlechtervorstellungen zu legitimieren, wie etwa das Motiv der lesenden Ehefrau im Protestantismus oder die keusche Gottesmutter Maria im Katholizismus. Geschlechtlich aufgeladene Spottbilder dienen auch der konfessionellen Abgrenzung, wenn etwa Martin Luther und Katharina von Bora nackt im Bett zu sehen sind und der Text kommentiert, dass Luther die Abschaffung der katholischen Messe vom Teufel gelernt hätte.
Das Forschungsprojekt, das von Univ.-Prof.in Dr. Martina Bär geleitet wird, will mit dem intermedialen Ansatz religiöse Text-Bild-Kombinationen analysieren, die für die Geschlechterkonstruktionen der Frühen Neuzeit relevant sind. Es soll danach gefragt werden, wie sich visuelle und textliche Inhalte aufeinander beziehen, um Geschlechterrollen religiös-normativ zu stabilisieren, auszuhandeln oder in Frage zu stellen. Schließlich soll eruiert werden, welche Wirkung diese text-bildlichen Geschlechterkonstruktionen in der Moderne entfalteten und wie sie sich bis heute tradieren.
Ziel des Projektes ist einerseits die Einwerbung von Drittmitteln für ein größer angelegtes Projekt und andererseits die Veranstaltung eines internationalen Symposions, einer öffentlichkeitswirksamen Ausstellung sowie Publikationen zum Thema.
Für das Projekt wurden Projektstellen für Fellows in der Praedoc- und Postdoc-Phase bewilligt.